Medienberichte
zur Schweizer Meisterschaft
in Lugano

 

Montag, 10. Januar 2000

Die Qual der Damenwahl im Schweizer Eiskunstlauf

Fragwürdige Entscheidungen in Lugano

spi. Lugano, 8. Januar

Selten zuvor hat es an einer Schweizer Meisterschaft im Eiskunstlauf einen solch spannenden Wettbewerb auf so hohem Leistungsniveau gegeben wie an diesem Wochenende in Lugano. Zu Beginn war eine grosse Abwesende zu beklagen gewesen. Lucinda Ruh, die elfenhafte Ballerina, die anscheinend im Ausland weit mehr Beachtung geniesst als in der Schweiz, musste wegen Rückenproblemen die Teilnahme absagen. Bereits am Grand Prix in St. Petersburg hatte sie sich den 5. Platz - eine beachtliche Placierung - nur mit starken Spritzen erlaufen können, doch jetzt haben ihr die Ärzte Dreifachsprünge untersagt.

«Politischer Entscheid»

Alles lief also auf einen Dreikampf zwischen den zwei «Küken» Sarah Meier (15jährig) und der drei Jahre jüngeren Kimena Brog Meier sowie der zehn Jahre älteren Grande Dame Nicole Skoda hinaus. Selbst diejenigen, die sich noch gut an die ebenfalls sehr frühen Anfänge Denise Biellmanns erinnern, staunen über das Ausnahmetalent Kimenas. Allerdings kann diese noch an keinen internationalen Wettbewerben, auch nicht auf Juniorenebene, teilnehmen. Die Preisrichter werteten wohl eher «politisch», als sie schliesslich Sarah Meier, die im Kurzprogramm patzte und eine - sicherlich auf exzellentem Niveau - schwächere Kür zeigte, auf den 1. Platz setzten. Man wollte wohl lieber eine Meisterin ins internationale Rennen schicken als eine gute Zweite. Es ist zu hoffen, dass die Betreuer von Kimena sich jetzt eher von der frisch-fröhlichen Haltung ihres Schützlings leiten lassen und die momentane Enttäuschung einfach wegstecken. Alles andere wäre für die junge Sportlerin, der ohnehin bald eine schwierige Zeit der körperlichen Veränderungen bevorsteht, schädlich.

Keine Chance für Lucinda Ruh

Sarah Meier dieses Jahr zur Europameisterschaft und danach zur Junioren-Weltmeisterschaft zu schicken, mag durchaus eine von der Vernunft diktierte Entscheidung der für diese Frage massgebenden Technischen Kommission sein. Lucinda Ruh, die im letzten Jahr mit einem begeisternden Effort in der Kür auf den 12. Rang an der Weltmeisterschaft vorgerückt war, jedoch gar keine Chance zur Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb mehr zu geben, zeugt eher von Kleinkariertheit, auch wenn es die Teilnahme an Landesmeisterschaften als Selektions-Gradmesser ernst zu nehmen gilt. Die auf Grund ihres Lebenslaufes kaum in der Schweiz verwurzelte Ruh hat dem Verband wohl zu wenig die Ehre erwiesen. Der Verband ist jetzt wohl dadurch düpiert, dass sie zwar in Zürich am publikumsträchtigen Art-on-Ice-Spektakel auftritt, nicht jedoch an der Schweizer Meisterschaft. Die Sperre Ruhs wird nicht nur in der internationalen Eiskunstlaufszene mehr als Kopfschütteln auslösen. Die an ihrer Stelle für die WM nominierte Skoda muss internationales Format, auch im Trainingsaufwand, erst noch beweisen.

Leichtes Spiel

Bei den Herren war zwar der 1. Platz Patrick Meiers unbestritten, nach den schlechten Leistungen an den Gand-Prix-Wettbewerben dieser Saison war jedoch das Aufatmen nach dem endlich wieder gelungenen Dreifachaxel im Kurzprogramm gross. Die neue Kür wird zwar auch für die EM nicht fertig werden, aber die Leistungskurve des Läufers, der einen zwar nicht spektakulären, aber doch unverwechselbaren Stil entwickelt hat, zeigt wieder nach oben.

Paarlauf gibt es in der Schweiz seit langen Jahren nicht mehr. Die wenigen Buben auf den Eisbahnen, die sich nicht von den Eishockeyklubs abwerben lassen, sind offenbar nicht auch noch dazu zu bewegen, Mädchen in die Höhe zu stemmen. Im Eistanz sind, wenn auch ohne Konkurrenten in der Elite, die Geschwister Hugentobler ein sicherer Wert und inzwischen auch zum Vorbild für Nachwuchs und Breitensport geworden. Der rhythmisch sichere und ausdrucksstarke Daniel hatte mit seiner Schwester, die in letzter Zeit etliche überflüssige Kilos loswerden konnte, diesmal leichtes Spiel, was die Hebungen fliessender, die Schrittfolgen geschmeidiger werden liess. Ihr Ziel für diese Saison, den 18. Platz in der Welt zu behalten, liegt in Reichweite.

Neue Zürcher Zeitung, 10. Januar 2000


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Last Up-date: 28.02.2001